Schwarzes Gold

Hallo zusammen! Ich gebe zu, dass dieser Blog in Peru sehr abrupt abgebrochen ist. Ich war einfach zu viel unterwegs, zu aktiv, habe jeden Tag was unternommen – da war einfach keine Zeit mehr zum Schreiben. Das tut mir sehr Leid, aber so ist das eben manchmal beim Reisen. Inzwischen bin ich übrigens längst wieder in Deutschland und auf Jobsuche. In meinen Entwürfen hatte ich jedoch noch diesen fertigen Bericht von der Osterwoche in Ouro Preto in Brasilien. Ich veröffentliche ihn jetzt im Nachhinein, weil diese Erfahrungen es wert sind, gelesen zu werden. Viel Spaß!

 

Ouro Preto ist eine wunderschöne Barockstadt im Staat Minas Gerais. Ihren Reichtum verdankt sie den zahlreichen Goldminen, in denen bis Mitte letzten Jahrhunderts Sklaven Gold abbauten. – Unter unmenschlichsten Bedingungen, versteht sich (etwa Peitschenhiebe auf das Gesäß, in deren Striemen Salz gerieben wurde, damit sich der Versklavte nicht hinsetzen und ausruhen konnte, Kinderarbeit und Kastration zu großer Schwarzer, damit keine zu großen kleinen Sklaven auf die Welt kamen, die für die Minen ungeeignet waren).

P1200769

Daher also der Reichtum der Stadt, die heute einer der Touristenmagnete Brasiliens ist. Ich habe mir die Osterfeiertage für meinen Besuch ausgesucht, weil ich von den Osterprozessionen gehört habe und den Blumenteppichen, die dafür gelegt werden.

Am ersten Tag klappere ich die Sehenswürdigkeiten der Stadt ab und freue mich über den berühmten Queijo de Minas – meiner Meinung nach eine von zwei essbaren Käsesorten Brasiliens, die anderen drei kann man…  Der brasilianische „Mussarella“ ist von echtem Mozarella ungefähr genau so weit entfernt wie Brasilien von Italien.Nun ja, dafür kreigt man bei uns keine anständigen Papaya und der Kaffee ist oft so schwach wie brasilianische Bier. Das nur am Rande.

Bei den Blumenteppichen mitzuhelfen, stellt sich einfacher heraus als gedacht. Am Karfreitag tauchen überall in abgesperrten Straßen Säcke auf und am Samstag Abend sehe ich, das darin bunt gefärbte Sägespäne sind, mit denen die Straßen verziert werden. Und während ich mich in Deutschland vor drei Monaten schriftlich als Freiwillige zum Prozessionsteppichlegen hätte anmelden müssen, sucht man sich hier Samstag Abend einfach eine Gruppe, schnappt sich einen Sack Sägespäne und legt los. Carolline aus dem Hostel und ich schließen uns einem älteren Ehepaar aus Sao Paulo an, die auch das erste Mal hier sind. „Habt ihr eine Idee, was wir legen sollen?“, fragt uns der Mann und ich bin verdutzt, weil in Deutschland die Muster vor Wochen am Reißbrett festgelegt worden wären. Stattdessen zeichnet der Mann flugs eine Taube aufs Pflaster, seine Frau organisiert die Sägespäne und Carolline streuen sie aufs Pflaster. Ich oute mich gleich als Ahnungslos, was Tauben im Allgemeinen und katholische im Besonderen angeht: Als ich anmerke, dass bei unserer Friedenstaube ja der grüne Zweig im Schnabel fehle, werde ich sanft darauf hingewiesen, dass es sich bei unserer Taube um die göttliche Taube handele, deswegen auch die Abbildung von frontal. Weder was gelernt.

P1200845

Mit der Zeit ähnelt das Teppichstreuen immer mehr einem Volksfest, an dem die ganze Stadt teilnimmt und die Touristen ebenso. Die Bars am Straßenrand schenken Bier aus und mit der Flasche in der Hand beraten sich die Leute über mögliche Motive, schleifen Säcke heran, andere schauen rauchend zu und das ganze dauert bis in die frühen Morgenstunden. Vor allem die Republicas, wie die Studenten-WGs hier genannt werden, sind eifrig bei der Sache und in den Motiven spiegelt sich auch das Alter der Teilnehmer. Die Themen sind völlig frei ,  kein Kirchenmensch kontrolliert und so kann man den LGTB*-Regenbogen neben Lämmern Gottes und Hello Kitty bestaunen. Nachts um zwei hocke ich auf der Praça Tiradentes und streue aus Kaffee, Kalk und Spänen eine komplizierte Jesuschablone aus, während neben mir eine Gruppe Austauschstudenten eine Kolumbianische Flagge legen und um Frieden für Kolumbien bitten. Dann werden die Handys gezückt und unsere Anstrengungen fetgehalten, bevor am nächsten Morgen die Prozession darübertrampelt.

P1200871

Wenige Stunden später laufe ich am frühen Morgen die Straßen Ouro Pretos ab und bewundere das Ausmaß der der Kreativität. Die Prozession selbst wr übrigens nix Besonderes – haufenweise süße, als Engel verkleidete Mädchen, die von einem einzigen männlichen Engel-Jungen angeführt werden (hrmpff!), Darstellungen biblischer Figuren und irgendwann, ganz am Ende, ein griesgrämiger Pfarrer mit der Monstranz. Die Regenbogen-Fahne war da schon hinüber, zerstreut und zertreten von hunderten Füßen, aber was zählt, ist nicht immer auch das, was bleibt.

P1200886

Dann rückt eine Horde Straßenkehrerinnen an und am Ostersonntag-Nachmittag rollen wieder die Autos über die steilen, gepflasterten Straßen.

P1200766

Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen

Pisaq und Ollantaytambo (oder: Die Inca und die Unfaehigen)

Macchu Pichu und Cusco sind fuer alle Peru-Reisende magische Worte: Alle wollen hin, und alle, die schon dort waren, werden fleissig ausgefragt und um Insider-Infos gebeten.

P1240001

Cusco war unter den Incas Hauptstadt ihres riesigen Reiches und kulturelles wie politisches Zentrum. Ausserdem liefen hier die vier „Hauptverkehrsadern“ aka Inca-Wege zusammen, die die vier Regionen des Tawantinsuyo mit der Hauptstadt verbanden. „Tawa“ bedeutet auf Quechua „vier“, „suyo“ „Region“, denn das Inca-Reich war in vier Regionen aufgeteilt und erstreckte sich vom Norden Argentinien und Chiles ueber Bolivien, Peru und Ecuador bis in den Sueden Kolumbiens – damals Kollasuyo, Antisuyo, Chinchaysuyo und Contisuyo. Das gewaltige Wegenetz des Qapaq Ñan sowie verwaltungstechnische Meisterleistungen hielten das Reich zusammen.

Wer also in all diesen Laendern auf Inca-Wegen wandeln oder wandern will, hat gerade in Peru unendlich viele Moeglichkeiten – und kann auf das kleine, sauteure Stueckchen Trekking zum Macchu Pichu, das als „DER“ Inca-Trail verkauft wird, getrost verzichten. Genausowenig gibt es „DEN“ Sonnentempel, stattdessen hatte jedes religioese Zentrum der Inca einen.

Und noch eine Anmerkung: Wir denken zwar bei Peru immer an die Inca, tatsaechlich gab es aber vor ihnen bereits zahlreiche andere hochorganisierte Kulturen. Die uns in Europa nur leider nichts sagen, weil unser Geschichtsunterricht so extrem eurozentriert ist. Und weil zur Zeit der Conquista durch die Spanier eben gerade die Inca an der Macht waren (und selbst zahlreiche Voelker unterworfen hatten). Waeren die Spanier hundert Jahre eher oder spaeter gekommen, wer weiss…

P1240027

In Cusco kann man also koloniale Haeuser mit geschnitzten Balkonen bestaunen, die auf Inca-Fundamenten stehen und katholische Kirche, mit denen Inca-Tempel buchstaeblich plattgemacht wurden. In Cusco hoert man deswegen den gaengigen Witz: „Esto lo construyeron los incas y esto los incapaces.“ Ein Wortspiel, denn „incapaz“ bedeutet unfaehig – und damit sind die Spanier gemeint. Denn bei den Inca-Mauern fuegen sich die Steine so perfekt aufeinander, dass nicht einmal ein Haar in die Fugen passt und zur Erdbebensicherheit sind alle Mauern um 6 Grad nach innen geneigt. Die zum Teil tonnenschweren Steine sind mit solcher Praezision aufeinandergebaut, teilweise abartige Theorien zu hoeren sind – die Inca haetten etwa Hilfe von technologisierten Ausserirdischen erhalten, denn bis heute ist es ein Raetsel, wie sie die Steinbloecke derart exakt zuschneiden und dann in die Hoehe hieven konnten. Vergleicht man diese ARchitektur dagegen mit den Mauern der spanischen Kolonialisten, hat man das Gefuehl, dass dort ein Kind mit Baukloetzen gespielt haette. Im Gegensatz zu den Inca mussten die Spanier ihre Mauern mit reichlich Zement zusammenhalten, und dennoch brachen sie bei den haeufigen ERdbeben mehrfach in sich zusammen.

In Cusco treffe ich endlich Lukas aus Argentinien wieder, den ich in Bolivien kennengelernt hatte. Und er nimmt sich zwei Tage frei, damit wir zusammen (einen sehr sehr kleinen Teil der Ruinen und Sehenswuerdigkeiten in Cuscos Umgebung besuchen koennen. Denn die Inca (und ihre Vorgaenger) haben derart viele Staettn hinterlassen, dass man problemlos zwei Monate durch Peru reisen und jeden Tag eine andere Ruine eier anderen Kultur besuchen koennte. Und weil ich den touristischen Durchlauferhitzer-Betieb satthabe, ziehen wir auf eigene Faust und mit dem Zelt los.

So fahren wir eines Morgens mit dem Bus nach Pisaq und goennen uns ein Taxi auf den Berg – die Inca hatten eine Vorliebe fuer schwer schwindelne Hoehen und schoene Aussichten, die aber entsprechend schwer zugaenglich sind. Schon vom Auto aus sehen wir das gigantische Halbrund hunderter landwirtschaftlicher Terrassen, die die Inca in den Berg gebaut haben.

P1240069

Wie viele Millionen Steine sind dafuer bewegt worden, wie viele Stunden ARbeitskraft gebraucht worden? Oben rechts im Bild sieht man den sog. „militaerischen Komplex“; man vermutet, dass in den vielen Haeusern Militaers wohnten. (Denn obwohl Chronisten vieles aus der Zeit der Conquista festgehalten haben, wissen wir immer noch viel zu wenig ueber die Inca, geschweige denn ihre Vorgaenger.) Wir sind frueh dort und koennen diesen Teil der Ruinen noch ohne Touristenhorden besichtigen – doch bald fallen sie ein, ein Guide mit Faehnchen, dahinter zwanzig Schafe, drei Worte zu den Ruinen, Foto hier, Selfie da, und ab zurueck zum Bus. Denn die Tours besichtigen bis zu zehn Ruinen an einem Tag. Kopfschuetteln unsererseits. Wir spekulieren wild herum, wozu dieses oder jenes wohl gedient haben koennte, wie es hier wohl zu Zeiten der Inca aussah… Ich stelle mir das Menschengewimmel vor, Kontrollpunkte fuer die Menschen, die auf einem der Inca-Wege Richtung Cusco wanderten, Soldaten, Bauern,…

Dann laufen wir die Terrassen hinunter und ueber einen Weg (links mittig im Bild) zum Intiwatana, dem religioesen Komplex. Und siehe da – wir sind fast alleine. Nur eine Handvoll Menschen verirrt sich in diesen abgelegenen Teil. Und so flaezen wir uns zwischen Jahrhunderten alten Tempeln ins Gras, vespern, Lukas macht eine Siesta und ich steige auf einen Aussichtspunkt. Meine Haende streichen ueber die perfekt zugeschnittenen Steine der Tempel – diese besondere, „lueckenlose“ Technik verwendeten die Inca nur fuer religioese Bauten, die anderen waren einfacher gebaut. (Siehe Foto unten: rechts Tempel, im Hintergrund ein Stadtteil.) Ausserdem entdecke ich die genialen Wasserleitungen, nur aus Stein gebaut, die bis heute Wasser aus einer hochgelegenen Lagune zu den Tempeln leiten – groesstenteils unterirdisch!

P1240114

Wir sehen uns noch zwei weitere Stadtteile an und laufen dann, an noch mehr und noch mehr Anbau-Terrassen hinunter ins aktuelle Dorf Pisac. Ich staune immer mehr ueber die Inca und ihre Ingenieursleistungen. Ausserdem muessen sie sehr, sehr, sehr sportlich gewesen sein, um alle Materialien auf ihre Bergstaedte hinaufzuschaffen (ganz anders als die heutigen Peruaner, ehem).

Von Pisaq nehmen wir einen Bus nach Ollantaytambo. Dort angekommen, ist es fuer einen Besuch der Ruinen zu spaet und wir beschliessen, einen Campingplatz zu suchen. Weil uns der eine, den wir finden, zu teuer ist, fragen wir einen Polizisten und der meint, wir koennten im „Stadium“ campen, das sei staedtisches Gelaende und umsonst. Und so bauen wir wenig spaeter unser Zelt am Rand des Fussballplatzes auf. Wenn auch nicht direkt auf dem Rasen (wie ich eigentlich wollte), sondern vor Regen beschuetzt unter Wellblechvordaechern. Dort finden wir sogar eine Feuerstelle und eine Wasserleitung und ein paar dreckige Toiletten gibt es auch. Ganz zu schweigen von dem herrlichen Sternenhimmel zwischen den massiven Bergen… Die Feuerholzsuche gestaltet sich im Dunkeln ziemlich schwierig, mehrfach greifen wir in Kakteen statt zu Aesten. Letztendlich hockt sich Lukas neben das Feuer und fuettert es unendlich geduldig mit den duerren Zweiglein. Ausserdem faellt uns auf, dass wir leider doch die Kartoffeln fuer unsere Suppe vergessen haben. Aber es gibt fuer alles eine Loesung: Richtung Zentrum ist mir ein Stand mit Anticuchos aufgefallen, Fleischspiesse mit Kartoffeln, und ich will der Verkaeuferin ein paar Kartoffeln abkaufen. Auf dem Weg dahin sammle ich noch mehr Holz und ramme mir dabei eine riesige Kaktusstachel in die Hand – so tief, dass ich sie allein nicht hinausziehen kann. Mit schmerzverzerrtem Gesicht renne ich also zu der Schaschlik-Vrkaeuferin und bitte sie leicht panisch, mir bitte zu helfen. Die zoegert nicht lange und -zack- sieht sie mir die STachel aus dem FLeisch, waehrend ich aufschreie. Dann verkauft sie mir seelenruhig ein paar gekochte Kartoffeln und geheilt und gluecklich laufe ich zurueck zum Fussballplatz. Die Polizisten in dem Polizeiauto, das in der Naehe parkt, bemerken micht nicht. Sind viel zu sehr mit ihrem Handy beschaeftigt. Und so geniessen wir etwas spaeter die beste Campingsuppe der Welt aus Kartoffeln, Karotte, Zwiebel und chinesischen Instantnudeln. In der Nacht traeume ich von rauschen Fluessen und reissenden Baechen – und am Morgen bemerken wir, dass der Rasen des Platzes komplett ueberschwemmt ist. So giesst man einen Fussballplatz, wenn man keinen Rasensprenger hat: Man leitet mit zwei Rohren das Wasser aus dem Bach auf den Platz und ueberschwemmt ihn. Gut, dass wir nicht auf dem Rasen geschlafen haben…

Wir bauen das Zelt ab und stellen unsere Rucksaecke beim Waerterhaeusschen ab, um die Ruinen von Ollantaytambo zu besichtigen.

P1240176

Auch hier wieder Terrassen, Gebaeude, Treppen ohne Ende, Tempel… Wie konnten die Inca an so vielen Orten gleichzeitig derart komplexe Staedte bauen? Immerhin koennen wir heutzutage auch all die Tempel und Stadtteile besichtigen, die damals nur der ELite und den Priestern zugaenglich waren.

P1240150

 

Als naechstes fahren wir mit dem Minibus zu den Salinen von Maras. Beziehungsweise, der Busfahrer schmeisst uns an der Landstrasse raus  und wedelt unbestimmt den Berg hoch: „Jaja, da rauf gehts zu den Salinen!“ und weg isser. Wir fragen uns durch das Dorf, ueberqueren eine Bruecke und duerfen unsere Rucksaecke wieder am Eingangshaeuschen abstellen – zum Glueck, denn erneut geht es stramm bergauf. Doch die Anstrengung lohnt sich; wir erreichen die Salzterrassen von der Rueckseite und sparen uns die Touristenmassen. Stattdessen quatschen wir mit ein paar Salzbauern, die uns die Wegchen zwischen den Terrassen zeigen und uns bedeuten, ihnen zu folgen. Und so sehen wir die Becken aus der Naehe, in die das Wasser einer salzhaltigen Lagune eingeleitet wird, wo es dann verdampft. Auf der Wasseroberflaeche bilden sich wunderschoene, zarte Kristallgebilde, das teure „Fleur de Sel“. Etwa zehn Familien leben hier im und vom Salz, das nach ganz Peru verkauft wird. Die Familien machen gerade Mittagspause und setzen sich zum Essen auf die Raender der Becken. Ein paar kleine Maedchen jagen ueber die schmalen Pfade und klettern geuebt von Terrasse zu Terrasse.

P1240183

Wir erreichen den touristischen Teil der Terrassen und hoeren die Guides wieder die Gruppen zusammentrommeln: „Gruppe ‚Kondor‘, Gruppe ‚Kondor‘, zurueck zum Bus bitte!“ oder „Gruppe ‚Incas‘, Gruppe ‚Incas‘, der Bus wartet nicht, beeilen Sie sich bitte!“ Wieder bin ich froh, auf eigene Faust mit Lucas unterwegs zu sein und nicht mit all den Selfiesticks in einem klimatisierten Van sitzen zu muessen. (Sondern unsere Rucksaecke durch die Mittagshitze zum oertlichen Terminal zu schleppen.) Irgendwann stellt sich Lukas auf eine Treppenstufe und bruellt, so laut er kann: „Gruppe ‚Gegrilltes Meerschweinchen mit Knoblauch‘, bitte zurueck zum Buuuhuuus!“ und ich breche vor Lachen fast ab, weil jetzt alle denken, ich gehoere zur Gruppe ‚Gegrilltes Meerschweinchen‘ und Lukas ist das Alpha-Schwein.

Am Abend besichtigen wir noch Moras, wo die Inca seltsame Amphitheaterartige Terrassen hinterlassen haben. Tatsaechlich aber waren diese wohl landwirtschaftliche Laboratorien, wo die Inca prueften, welche Pflanzen auf welcher Hoehe in welcher Himmelsrichtung am besten gedeihte.

P1240222

Und obwohl ueberall „Betreten verboten“-Schilder stehen, tun wir das, was zivilisierte und gebildete Menschen nicht tun sollten: Wir springen von Terrasse zu Terrase, rennen in die Mitte eines solchen Amphitheaters, sehen rund um uns herum die hoch aufragenden Terrassen und fuehlen uns fuer einen Moment wie im Nabel der Welt. Dann schenkt uns Mutter Natur noch einen herrlichen Sonnenuntergang vor der Bergkulisse der Anden – und im Dunkeln warten wir dann eine Stunde lang an der Autostrasse auf den Bus zurueck nach Cusco, weil Autostopp, das klappt hier irgendwie nicht.

¡¡¡Lucas, amigo y mejor compañero de locuras, muchisimas gracias por estos dias hermosos!!!

21366774_376406536112173_6510688937950349390_o

Anmerkung: Ich schwaerme generell dafuer, alles, was nur geht, auf eigene Faust zu unternehmen, statt ueber gebuchte Touren von Agenturen. Dennoch habe ich natuerlich selbst an organisierten Touren teilgenommen – meist aus Unwissenheit, denn fast alles waere auch im Alleingang moeglich gewesen. Denn ich fuehle mich in einem Touristenvan voller Gringos eben immer als Zuschauerin; wenn ich mit den Leuten vom Land dagegen zusammengepfercht im Minibus sitze und mich von Dorf zu Dorf hangele, als Teilnehmerin. Was in dem Beitrag auch nicht zur Sprache kommt: „Auf eigene Faust“ heisst, einige Zeit in die Organisation zu stecken: Wann faehrt wo welcher Bus? Gibt es ueberhaupt einen Campingplatz? Wo ist das Busterminal? Kann ich im Notfall auch laufen? Zu den Amphitheatern nach Moras zu kommen, war letztendlich nur moeglich, weil ich doch ein Taxi zahlte – es gab tatsaelich keinen Bus dorthin. Und wir haben unsere schweren Campingrucksaecke ziemlich viel weit ueber Stock und Stein geschleppt. Zu zweit sind solche Aktionen wesentlich unterhaltsamer als allein. Denn man verbringt doch sehr viel Zeit in den kleinen Ueberlandbussen oder steht an der Strasse und schluckt Staub, weil einen keiner mitnehmen will. Diese Abenteuer „spart“ man sich natuerlich, wenn man an praefabrizierten Tours teilnimmt. Aber man verpasst eben auch Uebernachtungen auf Fussballplaetzen und vieles mehr, was fuer mich das Reisen erst richtig wert macht.

P1240164

Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen

Der magische See

Die letzten zwei Tage in Bolivien verbringe ich am Titicaca-See – der magische See, aus dem der Legende nach die Inca hervorgegangen sind, der höchstgelegee, schiffbare See der Welt, etc. etc.

P1230604

Ich verbringe zwei wunderschöne Tage dort – den ersten Abend am Strand von Copacabana mit Sonnenuntergang über dem See. Übrigens heißt der Stadtteil Copacabana von Rio de Janeiro so, weil ein bolivianischer Reisender hier eine Kirche zu Ehren der Maria de Copacabana vom Titicaca-See baute. So zumindest wurde es mir erzählt…

P1230668

Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Boot auf die berühmteIsla del Sol -jeden Morgen werden ganze Touristenladungen auf der Insel abgesetzt, die dann abends wieder zurückgefahren werden. Eine extrem touristische Angelegenheit also, aber manchmal entkommt man dem selbst als Backpacker nicht… Der See soll außerdem sehr gut geeignet sein, um sich dort zu re-energetisieren und die Nähe der Pachamama zu spüren. Ich habe nichts gegen den Mysthizismus der Indigenen, im Gegenteil. Aber sehr wohl etwas gegen die Kommerzialisierung und Ver-Hippie-isierung dieser Legenden. Ich persönlich glaube vor allem an erneuerbare Energien, aber nicht an diese Theorien von Kristallen, die Energien aussenden oder Steine oder besonder energetische Orte, zu denen auch der See gehört.

P1230612

Stattdessen streife ich einen Tag lang über die Insel, sehe mir eine Inca-Ruine an und genieße die Sonne. Außerdem sehe ich zum ersten Mal seit sechs Wochen wieder Wolken, bessef gesagt, Wölkchen. Den Nordteil der Insel kann man leider nicht besichtigen, obwohl dort die die eindrucksvolleren Ruinen stehen – die Dörfer im Südteil und Nordteil liegen mit einander im Clinch, und die aus dem Norden haben ihren Teil gesperrt.DSee ist in der Tat so groß, dass man an vielen Stellen den Horizont nicht erkennen kann und glaubt, am Meer zu sein. Ich staune  auch über die tausenden Terrassen, die die Inca für die Landwirtschaft angelegt haben. Wie viele Millionen Steine wurden da von Menschenhand und mit purer Muskelkraft beweg?

P1230603

Am Nachmittag des zweiten Tages fahre ich zurück nach Copacabana, nehme von dort aus den Bus über die Grenze und nun heißt es – Bienvenidos en Perú!

P1230676

 

Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen

6000 m üNN

P1230503

 

Eigentlich hatte ich es nie in Betracht gezogen, mal auf so einen richtig richtig hohen Berg zu steigen. – Ich bin doch keine Bergsteigerin. Aber wann, wenn nicht jetzt?! Also in Bolivien die Chance genutzt und eine Tour auf den Huaynapotosí gebucht, der als einer der einfachsten 6000er gilt. Hier die Erlebnisse in Kurzform:

Tag 1: Ausrüstung anprobieren, dann Fahrt ins Basislager auf 4800m. Mit dabei: Guide David, Lee aus Korea, Rodrigo, ein chilenischer Bergsteiger. Am Nachmittag laufen wir zu einem Gletscher und lernen dort, angeseilt zu werden, mit Steigeisen  und Bergstiefeln zu gehen (sehr unbequem) und den Eispickel zu verwenden. Höhepunkt des Tages: Mit zwei Eispickeln eine Gletscherwand senkrecht hochklettern. Wooow, ich stehe im Eis! Aber: Sauanstrengend, habe echt keine Kraft in den Armen.P1230518

Tag 2: Ausruhen, dann wird die Ausrüstung in den Rucksack gepackt und dieser -ca.18kg schwer- zwei Stunden lang über schwierige „Wege“, Geröll und Eis ins Höhenlager geschleppt, auf 5200m. Gott sei Dank bin ich fast zwei Monaten in Bolivien gut akklimatisiert und die Höhe macht mir nichts aus.

Tag 3: Wir werden um 1h früh geweckt, Kleines Frühstück, Ausrüstung anlegen, dann laufen wir los. In der Dunkelheit stapfen wir in Dreiergruppen – ein Guide, zwei Möchtegern-Bergsteiger- durch Eis und Schnee. Ziel: Der Gipfel auf 6088m. Als wir den Kamm erreichen, eisiger Wind, totale Dunkelheit, meine Nase läuft permanent, ich muss durch den Mund atmen, kriege dadurch furchtbar Durst. Schritt für Schritt kämpfen wir uns vorwärts, nur im Licht der Stirnlampen. Einmal erwartet uns eine steile Stelle, mit dem Eispickel ziehe ich mich hoch, jeder Schritt kostet Kraft. Oben angekommen, bbin ich völlig fertig, aber hier ist keine Pause möglich, weiter, weiter, durch die dunkle Kälte, wie lang laufen wir eigentlich schon?, ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr. Irgendwann verliere ich wegen des Eiswindes das Gefühl an Mund und Wangen. Fühlt sich an wie beim Zahnarzt nach einer Spritze. Das heißt, eigentlich fühlt sich gar nichts mehr an. Zehen? Lippen?Kurze Pause, ich ziehe die Sturmmaske unter den Helm. Folge: Die Brille beschlägt wegen meines Atems, ich sehe nichts mehr, zu gefährlich, sagt Guide David, also wieder ausziehen. Sobald man stehenbleibt, wird man schockgefrostet. Weiter. Der Sonnenaufgang zeichnet sich ab. Wir sollten schon fast auf dem Gipfel sein, aber bis dahin fehlt noch viel. Ich kann nicht mehr nur, ich will auch nicht mehr. So hart, so anstrengend hatte ich mir das nicht vorgestellt. Nur noch 200m bis zum Gipfel, sagt David. Meint aber 200 Höhenmeter. Ich bin fertig, am Ende. Du kannst das!!, Gib doch jetzt nicht auf!, wäscht mir David den Kopf. Wir nehmen eine Abkürzung über eine steile, mit harten eisnadeln übersäte Wand. Als ich völlig am Ende im Seil hänge, geht die sonne auf – ein riesiger, pinker Ball beleuchtet uns und den Gipfel über uns. Die letzte Meter sind ein Kampf, ich heule fast. Eispickel einschlagen, linker Fuß, rechter Fuß, Eispickel lockern, erneut einschlagen, jeder Schrittdauert eine Ewigkeit, kostet so viel Kraft. David zieht uns praktisch die Wand hoch. Und dann: endlich oben! 6088m über dem Meeresspiegel! Unter uns das Wolkenmeer, neben uns in der Ferne andere beschneite Gipfel, über uns der tiefe, dunkelblaue Himmel. Noch nie war ich ihm so nah!Für ein paar Momente begreife ich die Magie des Bergsteigens.

IMG-20170715-WA0006IMG-20170716-WA0007Nach 20 Minuten beginnt der Abstieg, ich bin wieder völlig fit und unsägliche glücklich, dass ich es dank David bis auf den Gipfel geschafft habe. Den Rückweg kann ich richtig genießen: Endlich sehe ich die fantastische Eislandschaften, die wir nachts durchquert haben. Blaue Eisschichten, metertiefe Gletscherspalten mit glattpolierten eiszapfen. Was für ein Traum! Dann eine heiße Suppe im Höhenlager, und sofort der Abstieg ins Basiscamp. Rückfahrt nach la Paz. Abends Party. Schlafen wird überbewertet. Was der Körper doch so alles durchsteht…

Fazit: EinmaligeErfahrung! Das absolut Härteste, was ich auf der ganzen Reise unternommen habe. Physisch bis an die Grenze. Aber, hey!, ich komme auch in halbwegs untrainiertem Zustand auf einen 6000er! Letztlich ist alle kopfsache. Trotzdem – trekking ist mir lieber! Tagsüber schöne Landschaften genießen, statt nachts im Dunkeln durch Eis und Schnee zu stapfen. Also: einmalig!

IMG-20170716-WA0008IMG-20170716-WA0006

.

Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen

Zwei Länder weiter…

Zuerst muss ich mich mal dafür entschuldigen, dass der Blog zwei Monate lang eingeschlafen war. Nach dem Choro-Trekking bin ich an den Titicaca-See gefahren, von dort über die Grenze nach Peru und dann in sechs Wochen durch dieses wunderschöne Land gerauscht. Während ich es in Bolivien noch ruhiger habe angehen lassen, war ich in Peru einfach jeden einzelnen Tag aktiv und da ist der Blog auf der Strecke geblieben. Außerdem warin vielen Orten das Internet zu langsam, dann hat das Tablet für zwei Wochen den Geist aufgegeben…

Nun bin ich seit drei Tagen in Ecuador, möchte aber meine peruanischen Abenteuer und die letzten Tage in Bolivien noch mit euch teilen.

TIWANAKU

Diesen Bericht vom 21. Juni schulde ich euch schon ziemlich lange. An diesem Tag wird nämlich die Sonnenwende gefeiert und mit Stephanie, meiner Freundin aus La Paz, bin ich zur Ruine Tiwanaku gefahren, um dort das neue Aimara-Jahr zu begrüßen. Wichtig: Die Gegend um La Paz war und ist von den Aimara bevölkert, die nichts mit den Quechua zu zu tun haben, sondern teilweise von den Inka unterworfen wurden.

Traditionell durchwacht man die Nacht vom 21. auf den 22. Juni, um dann am 22. früh die ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres und damit eine ganz besondere Energie zu empfangen. Ich ziehe, bevor es losgeht, sämtliche Klamotten an, die ich besitze, denn diese Nacht soll auch die kälteste des Jahres sein – und wir müssen durchmachen! Dann fahren Stephie und ich spätabends nach Tiwanaku, wo wir kurz vor Mitternacht ankommen. Zusammen mit hunderten anderen Pilgern – Touristen wie Bolivianern- laufen wir ins Dorf. Auf dem Hauptplatz ist eine Bühne aufgebaut, die Atmosphäre gleicht eher einem Festival als einem Indigenen-Ritual. Kritiker bemängeln ohnehin, dass diese Sonnenwendfeier eine neuere Erfindung sei und nichts mit der jahrtausenden alten Kultur zu tun habe. Außerdem werde die Sonnenwende seit jeher in fast allen Kulturen weltweit gefeiert. Aber seit Evo Morales Tiwanaku für eine Art Inthronisierungs-Zeremonie besucht hat, sind solche Rituale dem Präsidenten, dem Erstarken der indigenen Kultur und dem Tourismus sehr zuträglich. Kritik hin oder her, Stephie und ich setzen uns auf unsere Isomatte, hüllen uns in Decken und genießen die Musik – andine Folklore, fusioniert mit Rock und aktuellen Hits, ziemlich cool. Damit alle schön warm bleiben, verkaufen die Frauen Sucumbé und Teconte. Ersteres ist heiße Milch, die mit Eiweiss und ordentlich Rum zu riesigen Schaumbergen aufgeschlagen wird. Das zweite ist einfach Tee mit Schuss. Gute-Nacht-Drinks für Erwachsene.

P1220685

Wir quatschen, kaufen schon mal unsere Eintrittskarten für das Ritual, und uns ist gar nicht kalt. Auch an unseren guten Laune ist der Sucumbe sicher nicht ganz unschuldig. Später werden überall auf dem Platz Holzfeuer entzündet. Viele Menschen, die hier übernachten wollen, haben Zelte und Feuerholz mitgebracht und bald ist der Platz voller rauch. In Deutschland wäre so was natürlich nicht erlaubt, aber wir sind ja zum Glück in Bolivien. Wir lernen eine Gruppe Jugendlicher kennen, die ich zuerst für Schüler halte, bis sie mir erzählen, dass sie bald mit ihrem Studium fertig sind. Hm, irgendwie sehen die so jung aus… und sind auch noch so klein. Oder ich bin einfach zu groß.

Gegen 4h früh laufen wir dann zur Ruine und ergattern einen Platz ziemlich weit vorne in der Schlange vor dem Tor. Das wird nämlich erst um fünf geöffnet. So langsam werde meine Zehen doch kalt, außerdem senkt sich dicker,feuchter Nebel über uns und durchweicht uns. Die Zeit vergeht zäh und Stephie und ich quetschen uns nebeneinander auf die Isomatte und dösen. Um fünf wird die Menge unruhig, weil die Soldaten das Tor nicht öffnen wollen. Macht auf, macht auf, skandieren die Menschen, allen ist kalt und es soll sich endlich was bewegen. Aber die Soldaten rühren sich nicht und erst eine halbe Stunde später, in der gepfiffen und gebuht wird, öffnen sie das Tor. Endlich! Wir rennen über das Gelände der Ruine zum großen Festplatz mit der Puerta del Sol, dem Sonnentor. Angeblich fiel früher der erste Sonnenstrahl des neuen Jahres genau durch dieses Tor. Heute geht dieSonne jedoch weiter links auf. Grund?!?! Wir sichern uns einen gute Platz direkt an der Absperrung. Dann laufen die Aimara-Autoritäten ein, die Männer mit Poncho und Hut, die Frauen mit den Polleras, den vielschichtigen Röcken, bunt gewebten Tragetüchern und Bowlern. Und natürlich zwei langen Zöpfen, die mit Troddeln verziert sind. Wie sie die kalte Nacht ausgehalten haben, ist mir ein Rätsel.Sie tragen zwar bis zu 155 Unterröcken, aber nur selten Strumpfhosen und nur Sandalen an den Füßen. Meine Füße sind trotz guter Schuhe und Alpaka-Wollsocken tiefgefroren, meine Finger steif und die Warterei fängt an zu nerven. Ein Blick aufs Thermometer zeigt -6 Grad und wir stehen in der dunklen Kälte herum. Und die Sonne will und will einfach nicht aufgehen. Aber dann sehen wir einen schmalen, hellen Streifen über den Bergen. Als es langsam heller wird, schiebt sich wieder Nebel zwischen uns und die Sonne. Außerdem laufen Soldaten an der Absperrung entlang und verstellen uns die Sicht. Hey Grüner!, ruft eine Frau, weg da, du bist nicht durchsichtig! Ganz langsam wird es heller und irgendwo zwischen Nebel, Berg und Himmel vermute ich den Sonnenaufgang. Die Aimara-Führer entzünden auf einer Plattform ein Feuerund laufen im Kreis darumherum. Außerdem näselt aus einem Lautsprecher eine Rede oder ein Gebet Aimara, das ich leider nicht verstehe. Aus der Ferne bekommt man von dem Ritual r4cht wenig mit und ich bin etwas enttäuscht. Vielleicht ist das Inti-Raymi-Fest der Inkas doch spektakulärer?

P1220741

Aber dann, um halb acht, geschieht endlich das Wunder: Die Sonne dringt durch den Nebel und trifft auf unsere eisigen Gesichter, der Himmel färbt sich orange und endlich, endlich wird es Tag! Wir heben alle die Hände um mit den Handflächen die ersten Sonnenstrahlen und ihre Energie des neuen Jahres zu empfangen. Die meisten heben allerdings nur eine Handfläche der Sonne entgegen, die andere Hand hält das Handy oder den Selfiestick.

Stephie und ich schauen uns an, genießen das warme Licht auf unseren Gesichtern und mir wird klar, dass das Besondere dieser Nacht nicht das Ritual ist, sondern die Tatsache, nach langen, kalten, dunklen Stunden endlich wieder die Sonne zu spüren.

P1220719

Bald kommen einige Musiker der Bands  von gestern dazu und beginnen zu spielen, die Indigenen-Fahne wird gehisst und die Leute beginnen zutanzen. Ganz egal, ob Touri oder Bolivianer, alle fassen sich an den Händen und tanzen wie auch immer um die Fahne herum. Auf der Plattform werden bunte Opfergaben und Coca-Blätter verbrannt, und alle feiern das neue Jahr.

Stephie und ich nutzen die Chance, uns kurz die Ruinen anzuschauen, bevor uns die Soldaten vom Platz scheuchen. Dann frühstücken wir ganz traditionell Api und Pastel – wobei eine Hühnersuppe oder Reis und frittiertes Hähnchen sicher noch traditioneller wären, aber das kriege ich so früh noch nicht runter. Dann machen wir uns mit dem Minibus auf den Rückweg und bald wird es so warm, dass wir unsere ganzen warmen Pullis ausziehen müssen. Bis ich wieder Zuhause bin, dauert es dank des Verkehrs in La Paz bis mittags und dann kann ich — ausschlafen.

 

 

 

Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen

El Choro

Endlich, endlich hat es mit Trekking geklappt! Über Facebook habe ich Mauro kennengelernt und zusammen wollen wir den Choro-Trail erlaufen – von La Paz hinab in den subtropischen Teil Boliviens, die Yungas. 51km zu Fuß. Zum Glück kennt Mauro den Trekk schon, sodass ich mich nicht um den Weg kümmern muss. Ein Zelt hat er auch, Schlafsack und Isomatte leihe ich mir bei Bekannten.Und schon beim Packen merke ich -der Schlafsack ist ein Problem. Er füllt meinen Rucksack zu drei Vierteln aus und wiegt etwa6 kg. Mit Essen und Wasser und einer Garnitur Ersatzkleidung bringt  mein Rucksack 12kg auf meine Schultern -genauso viel,als  würde ich mit all meinem Gepäck wandern. Einmal mehr beneide ich die Menschen, die mit hoch durchdachter, aber sauteurer Lightweight-Ausrüstung verreisen. Ich habe mir vor der Reise ein paar gute Trekkingschuhe gekauft und bin sonst mit meinen Alltagsklamotten losgezogen.

Bis Mauro und ich am Ausgangspunkt, der Cumbre, ankommen, ist es schon Mittag. Vin hier aus steigen wir auf 5000m üNN auf und genießen den Blick auf die andine Landschaft. Graue, imposante Berge, zwei Lagunen, nur Totora-Grasbüschel als einzige Vegetation. Dann beginnt der Abstieg. Der Weg ist voller Geröll und scharfkantiger Schiefersplitter, auf denen wir steil bergab schlittern – mit über10kg Zusatzgewicht. Mauro ist Umweltingenieur und erklärt mir, dass weiter oben offenbar gespreng wurde. „Bauen die da einen neuen Wanderweg?“, frage ich. „Schön wär’s! Aber das ist wohl eher eine neue Mine. Für Wanderwege gibt hier niemand Geld aus.“ Die Anden sind reich an Bodenschätzen, überall wird Bergbau betrieben, oft ohne Rücksicht auf die Umwelt.

P1230382

Wir blicken in ein Tal, das schon wesentlich grüner ist als die karge Berglandschaft. Ein Bach rauscht und zwischen ein paar malerischen Ruinen grasen  Maultiere und Lamas. Daneben ein riesigerMüllhaufen. Plastikflaschen, Konservendose,, Plastik wird uns den ganzen Weg über begleiten. Wir laufen weiter durch das Tal, das wie verzaubert erscheint, als Nebel aufsteigt. Überall ragen die Steinmauern auf, die von den ansässigen Bauern über Generationen hinweg aufgeschichtet wurden. Denn Holz für Zäune gibt es kaum. An einem Kontrollposten registrieren wir uns.Draußen trocknet die Familie Kartoffeln – chuño und tunta, jahrelang haltbar. Eine Maultierkarawanne kreuzt unseren Weg – außer den eigenen Füßen das einzige Transportmittel. Eigentlich sind wir nicht weit von La Paz entfernt, aber die Dörfer sind nur über einen seit Incazeiten bestehenden Fußweg erreichbar. Also besser nicht hinfallen – hier müssten wir auch mit einem verstauchten Knöchel weiterlaufen.

P1230397

Habt ihr Schokolade oder Süßes?, fragt die Frau mit den Maultieren. Auch die Frage nach Süßem oder Brot wird uns unterwegs immer wieder gestellt. Viele Wanderer haben die Talbewohner wohl daran gewöhnt.  Gegen Abend beginnen meine Knie zu schmerzen. Das dauernde Bergabgehen greift sie mehr an, als ich gedacht hatte. Bald tut jeder Schritt weh – und es wird Nacht und ist nebelig. Unser Campingplatz ist noch gut 4 Stunden Wegzeit entfernt. Wir beschließen, im nächsten Dorf schon zu übernachten und uns doch 3 statt 2 Tage Zeit zu nehmen für den Trekk. Mit Stirnlampe und auf zwei dünne Äste gestützt, schleppe ich mich weiter. Weiter runter, weiter bergab. Über uns verschwinden die letzten Berggipfel im Nebel, beeidruckend. Der Weg ist steinig und immer wieder von Bächen überschwemmt. Ich merke, wie ich immer langsamer werde und inzwischen schmerzen nicht nur die Knie, sondern auch die Füße, Schultern und Hüften unter dem Gewicht des Rucksacks. Mauro läuft manchmal ein Stück vor und wartet dann- einen rücksichtsvolleren Begleiter hätte ich mir kaum wünschen können. Ich singe vor mich hin, um mich abzulenken. Irgendwan sehe ich Mauros Licht in weiter Ferne. Oh je! Aber dann steht er auf einmal grinsend neben mir – „Das ist schon das Licht von Chollapampa, da werden wir übernachten!“ Gott sei Dank! Eine halbe Stunde später überqueren wir den rauschenden, eiskalten Fluss per Hängebrücke und bauen das Zelt auf. Endlich ausruhen!

P1230405

Am nächsten Morgen sehe ich unseren Campingplatz in voller Schönheit: Ein tiefes, grünes Tal zwischen steilen Berggipfeln, kaum Bäume, aber ein glasklarer Fluss, dessen Rauschen uns den ganzen Weg über begleitet. Vier Häuschen aus Lehmziegeln und Holz, eine Kirche. Zwei Männer fangen an zu singen, während wir einpacken. Und ich entdecke drei rote Blasen an den Zehen, irgendwie müssen meine Schuhe geschrumpft sein. Aber bald tun mir wieder die Knie weh, sodass ich die Blasen kaum noch spüre. Wir folgen dem Incaweg entlang des Flusses. Es wird immer feuchter und grüner. Neben dem Weg wachsen nun Farne, Gräserund moosbewachsene Bäume. Die Luft ist längst nicht mehr so trocken wie in den Bergen. Leider wird der weg auch immer matschiger und ich brauche noch länger für die steilen Stellen. Tief unter uns rauscht der Fluss, als wir um die Mittagszeit das Dorf Choro erreichen, in dem wir eigentlich hatten campen wollen.auch hier wieder – drei Hütten, aber keiner zu Hause. Wir überqueren erneut eine Hängebrücke – ein handgemaltes Kartonschild weist uns darauf in “ uno x uno“ – einer nach dem anderen. Ich frage mich, wie die beladenen Maultiere über die Brücke kommen.

Auf der anderen Talseite steigt der Weg nun an, auch wenn wir weiter flussabwärts laufen. Absurderweise schmerzen meine Knie aber nur bergab – sodass ich bergauf schneller bin als bergab. Erneut treffen wir auf ein paar Maultiere, angeführt von zwei Jugendlichen mit Gelfrisur, die laut Musik auf ihre Smartphones . Ab und zu klatschen sie den Eseln eine Rute übers Hinterteil.Wir egen eine Pause ein und genießen den Blick ins Tal. Es ist schon viel wärmer, die Sonne scheint, esgrünt und blüht um uns herum. Bald wachsen am Wegrand sogar Bananenstauden und Lilien!

Als nächstes erreichen wir das Dorf Bella Vista – zwei Holzhäuser auf einem Adobefundament, zwei waschende Frauen und ein paar spielende Kinder. Vor den Häusern ist eine Campingwiese mit herrlichem Blick ins Tal. Einerseits beneide ich die Kinder, in dieser Idylle aufwachsen zu dürfen. Aber sobald sie etwas älter sind, werden sie jeden Tag um 5Uhr aufstehen müssen und einen dreistündigen Schulweg auf sich nehmen müssen – in das Dorf, wo Mauro und ich vergangene Nacht gecampt haben. Hängebrücken inklusive. Als wir weiterlaufen, verschlägt es uns dn Atem – auf Farnwedeln trocknet Fleisch und stinkt ganz gewaltig. Lecker Charque, bolivianisches Trockenfleisch!

P1230439

 

Wir laufen ganz gemütlich weiter und betreten sogar eine ehemalige Mine.Wir müssen ziemlich tief hineinlaufen, bis uns die ersten Fledermäuse um den Kopf fliegen.

Es wird wieder viel zu schnell dunkel und wir merken, dass wir unser angepeiltes Ziel nicht erreichen. Das Dorf San Francisco 1 ist menschenleer, die Hütten verschlossen, die Fenster vernagelt. Aber in der Ferne sehen wir ein Licht, laufen darauf zu und werden in San Francisco 2 von einer alten Frau empfangen. “ Ach, ich dachte, es wäre mein Mann! Der ist mit den Maultieren unterwegs und müsste bald hier sein! Sind außer euch noch Leute unterwegs?“ Wir berichten von einer Familie, die wir getroffen haben und nehmen unsere Rolle als wandernde Nachrichtenübermittler ernst. “ Morgen kommt nämlich eine Touristengruppe mit 18 Personen“, berichtet die Frau, „und mein Mann sollte Lebensmittel kaufen und Baumaterial.! „Und woher wissen Sie, dass morgen so viele Leute kommen?“, fragen wir. “ Ach, daaaa oben auf dem Berg hat mein Handy Empfang!“, meint sie nur. Und ich habe mich schon wichtig gefühlt, weil ich wichtige Informationen in dieses abgelegene Dorf bringe! Stattdessen steigt die Frau wohl alle zwei Tage auf den Berg uundhört dort ihre Mailbox ab. Außerdem berichtet uns die Frau, dass die Hängebrücke im nächsten Tal morgen abgehängt und erneuert werden soll. Hoffentlich kommen wir noch vorher drüber.

Wir waschen uns im Dunkeln an der Pileta – einer Wasserleitung, die ununterbrochen läuft. Dann bauen wir das Zelt neben der Hütte der alten Frau auf.

Am nächsten Morgen schenkt sie uns zwei Bananen aus ihrem Garten und wir bezahlen jeder 1 Euro fürs Camping. Dann steigen wir hinunter in ein Seitental, wo uns ei n rauschender Bergbach empfängt. An der Hängebrücke wartet ein Mann.“Sind die Maultiere mit dem Baumaterial schon in San Francisco angekommen?“ ,fragt er uns. Leider nicht. „Dann muss ich wohl noch weiter warten.“, und macht es sich wieder gemütlich. Geduld, Geduld, das ist wohl wichtig, wenn man so abgelegen wohnt. In der Hängebrücke klaffen in der Tat mehrere Lücken und ich probiere, auf die am wenigsten morschen Bretter zu treten.

P1230463

 

Dann wandern wir flott bergauf. Die Teufelsstiege ist ein steiler, gepflasterter Wanderweg, der von dichtem Grün überwuchert wird. Wir sehen sogar die erste Palme! Von einem Aussichtspunkt aus sehen wir den Wasserfall,an dem wir kurz zuvor vorbeigekommen sind.. Über mehrere Stufen stürzt er tief ins Tal. Wir beeilen uns, weil wir heute noch zurück bis La Paz wollen. In einem der Dörfer begegnen wir einer Gruppe Kinder aus problematischenFamilien, die mit ihren Betreuern einen Teil des Weges gewandert sind. Und dann beginnt der letzte, große Abstieg, endgültig hinein in die Yungas. Statt zwei Stunden brauchen wir dreieinhalb. Weil wir auf der Sonnenseite des Berghangs laufen, ist es sehr trocken, Bienen summen, und bald läuft uns der Schweiß hinunter. Ich schätze die Temperatur auf gut über 25 Grad. Bald sind wir nr nch im T-Shirt und mit kurzer Hose unterwegs.Die Kurven hinunter ins Tal wollen einfach kein Ende nehmen und so wird der letzte Abschnitt des Treks zur Geduldsprobe. Tief unten rauscht der Fluss und wir kommen ihm einfach nicht näher! Erst am Nachmittag kommen die ersten Häuser in Sicht und glücklich laufen wir ins Dorf. Das könnte ruhig etwas schöner sein – im Vergleich zu den malerisch gelegenen Holzhütten stören uns hier nackte Ziegel, Stromkabel und staubige Straßen. Dennoch nehmen wir zum Abschied ein Bad im eiskalten Fluss, dessen rauschen uns die drei Tage hindurch begleitet hat.

Und wir haben Glück: Wir finden ein Taxi, das uns günstig ins nächste Dorf bringt. Dort strecken wir den Daumen raus, und eine Familie immt uns auf der Ladefläche ihres Pick-ups mit bis zur Kreuzung. Andernfalls hätte ich mit meinen bandagierten, wunden Zehen nochmal zwei Stunden laufen müssen. Und an der Kreuzung warten wir dann auf einen Bus nach La Paz, der einfach nicht kommen will. Also wieder Daumen raus und – eine nette Frau nimmt uns tatsächlich mit bis nach La Paz. Mauro und sie verstehen sich mit ihrer Vorliebe fürs Esoterische hervorragend. Ich dagegen beobachte, wie das Thermometer von 25 Grad auf -1 fällt, als wir la Paz erreichen. Die 3700 Höhenmeter, die wir in drei Tagen durch wunderschöne Täler und verschiedene Klimazonen hinabgestiegen sind, fahren wir jetzt in zwei Stunden wieder hinauf.

In La Paz angekommen, friere ich und humpele glücklich, aber mit schmerzenden Knien und Zehen heim.

P1230446

 

.

 

Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen

Api, Charquekan und Obstsalate

WP_20170603_11_46_46_Pro

Vor Bolivien bin ich noch in Brasilien mehrfach gewarnt worden: Die Leute seien verschlossen bis unhöflich, das Essen furchtbar, Durchfall garantiert… Meine eigenen Erfahrungen sehen ganz anders as. Ja, die Bolivianer sind in der Tat nicht so extrem herzlich und überschwenglich wie die Brasilianer, aber das trifft wohl auf 80% der Weltbevölkerung zu. Gerade die Landbevölkerung ist etwas leiser, verhaltener und was in Brasilien Begeisterungsstürme hervorruft („Boahhh, du bist aus Deutschland?! Wie cooool, erzähl mal, wie gefällt dir Brasilien, was machst du in Deutschland, wie spannend!“), wird hier einfach hingenommen („—„). Gerade als Touristin bemühe ich mich,extrem höflich zu sein, weil unsere europäische,direkte Art hier manchmal grob wirkt: „Buenas tardes, señora, disculpe, permítame una preguntita nomás….“ – “ Guten Abend, bitte entschuldigen Sie, darf ich Ihnen eine kurze Frage stellen?“ – und dann frage ich nach dem Weg. Auf die Art habe ich aber immer gute Erfahrungen gemacht.

WP_20170603_11_45_59_Pro

Was das Essen angeht: In fünf Wochen Bolivien hatte ich genau einen Tag lang Magenprobleme und das war nach einem Teller Spaghetti in einer einfachen Unterkunft. Von den Spahetti hatten 6 Personen gegessen und zweien ging es hinterher schlecht. Logik?! Ansonsten genieße ich das Essen hier sehr. Und ja, ich esse auch Salat (was man ja vermeiden soll), bisher problemlos und habe mich auch an die Fruchtsäfte auf dem Markt gewagt. Ich esse einfach viel zu gern auf der Straße und den Märkten!! Und während ich in Brasilien immer im Hostel gekocht habe um Geld zu sparen, bekommt man hier in Bolivien für umgerechnet 3-5 Euro ein komplettes Menü, auf dem Markt bezahlt man etwa 1,50.

WP_20170603_11_42_19_Pro

 

Frühstück: Ein typisches bolivianisches Frühstück oder Snack am Nachmittag ist der Api, ein dickflüssiges warmes Getränk aus lila Mais, dazu gibt es Pastel oder Buñuelo. Pastel ist eine frittierte Teigtasche mit Käsefüllung, die mit Puderzucker bestreut wird, Buñuelo ein frittierter süßer Teig mit Honig. Klingt exotisch, ist unglaublich ungesund und ebenso lecker!

P1220612

Mittagessen: Isst man am besten in den Comedores im Markt. Dort kochen Frauen seit den frühen Morgenstunden comida casera, also Hausmannskost. Das Angebot ist an allen Ständen recht ähnlich, die Preise sind überall gleich, umso schwerer fällt die Entscheidung. Die Köchinnen stehen am Eingang ihrer Stände und locken die Hungrigen an: „Pasen, pasen, hay sopa de fideos, hay aji, hay falso conejo, diez bolivianitos nomasito!“ – „Herein, herein, heute gibt’s Nudelsuppe, Ají,falscher Hase, zehn Bolivianos nur!“Klassischerweise besteht das Menü aus einer Suppe und einem Hauptgericht. Und die Suppen sind für mich immer das Highlight – man bekommt eine große Schüssel voll dicker Erdnuss-, Reis- oder Nudelsuppe mit Gemüse und Fleischeinlage, einmal hatte ich auch einen ganzen Hühnerfuß drin. Und immer äußerst schmackhaft! Die Hauptgerichte bestehen meist aus einem Berg Reis, einer Kartoffel und einem Stück Fleisch. Für mich etwas zu trocken, deswegen ziehe ich die Ajís vor, scharfe Soßen mit Hackfleisch und Gemüse.

Links meine Freundin Stephie  mit  Charquekan, getrocknetes und frittiertes Fleisch mit Mais, käse, Kartoffel und hartem Ei, rechts Chairo, typische Suppe aus La Paz mit Chicharrones, frittierte Schweinehaut und Bohnen.

Nationalgericht Boliviens scheint übrigens Hühnchen zu sein. Billiges Protein, das hier meist „a la broaster““ oder „al spiedo“ verkauft wird. Also frittiert oder  gegrillt. Gefühlt ist jedes zweite Restaurant eines für Grillhähnchen – manchmal wundere ich mich, dass den Bolivianern noch keine Feden wachsen. Ich habe in den ersten drei Wochen eine Überdosis Hühnchen abbekommen und meide es seither. Vegetarische Optionen sind rar gesät, aber möglich. Übrigens- der falche Hase besteht aus Rindfleisch!

Lama und Alpaka: Ja, ich habe beides schon probiert. Und es schmeckt unglaublich lecker! Viel würziger und zarter als das zähe Rindfleisch! Viele Touristen essen diese süßen wolligen Viecher ungern, aber ich sehe sie als echte Alternative. In großen Höhenlagen, wo nicht mal mehr Quinua wächst, sind Lamas und Alpakas wegen ihres Fleisches und ihrer Wolle die einzige Einkommensquelle.

P1220542

Auf einem riesigen Markt in El Alto, der Nachbarstadt von La Paz, bin ich kürzlich an einem Schild vorbeigelaufen: „Quinua mit Ersticktem oder Milch“. Quinua (Betonung liegt auf dem i, nicht Quinooooa!) ist sehr lecker, aber was ist der Erstickte? Hin und probieren! Die Verkäuferin gab mir einen großen Schlag Quinua-Brei auf den Teller, rieb großzügig Käse darüberund dazu gab’s pikante Paprikasoße – das war der Erstickte (Quinu con ahogado). Alternativ wurde statt der Soße Milch darübergekippt. Sehr lecker und – vegetarisch!

P1220767

Nachtisch: Warum Obst kaufen, wenn ich im Markt für wenig Geld fantastische Fruchtsäfte und Obstsalate bekomme? Allerdings sind die immer XXL! Ein Fruchtsaft hier ist meist eine Mass Milchshake oder Smoothie aus frisch pürierten Früchten. Obstsalate werden in riesigen Eisbechern serviert, die mit Früchten gefüllt werden, darauf kommt Wackelpudding, Joghurt, zwei Kugeln Eis, Kekse, Cornflakes und Dessersoße. Kostenpunkt 10 Bolivianos, etwa 1,50 Euro.

P1220781

Süßes: Wackelpudding ist sehr beliebt – auf der Straße laufen jede Menge Verkäuferinnen herum mit Tabletts voller Wackelpudding in Bechern, der meist mit Eischnee bzw. Merengue gekrönt wird. Ich ziehe die zig verschiedenen Kekse und süßen Teilchen vor. Oder Tawa Tawas, frittierter Teig mit Zuckerrohrsirup. Überhaupt wird hier sehr sehr viel frittiert…

P1210880 1

Alkoholisches: Gerade jetzt im Winter sind heiße Getränke mit Schuss sehr beliebt – Sucumbé zum Beispiel. Heiße Milch, die mit Ei aufgeschlagen wird und dann kommt ordentlich Singani rein, ein Branntwein aus Trauben, geht in Richtung Wodka. Oder Teconté („Tee mit Tee“), heißer Tee mit Singani. Die berühmte Chicha, das Maisbier, habe ich noch nicht probiert. Steht auf meiner Liste.

Snacks: Habt ihr schonmal Nudelpopcorn gegessen? Popcorn ist hier genauso beliebt wie in Brasilien, allenthalben stehen Popcornverkäufer herum..  Weil es hier aber noch andere,viel größere Maissorten gibt, gibt es auch viel größeres Popcorn. Und – Nudeln, die mit heißer Druckluft aufgepoppt und mit Zucker überzogen werden.

P1220780

Überhaupt gibt es hier überall und zu jederzeit Essen zu kaufen, die Straßen in La Paz sind bevölkert von ambulanten Verkäuferinnen, fahrbaren Essensständen, Saftwägen,…. Mit ein bisschen Geld in der Tasche kann man sich hier durch den Tag fressen.

P1220602

 

 

 

Veröffentlicht unter Sin categoría | 1 Kommentar

Potosí, die Silberstadt

Oder sollte der Titel besser heißen „Potosí, Stadt des Leidens“? Oder „Potosí und die Minen“? Wäre alles zutreffend….

P1220173

Manche Reisende empfinden Potosí als deprimierend. Denn über der Stadt erhebt sich der Cerro Rico, der reiche Berg – ein perfekt geformter Konus, durchzogen von Tunnels und Minen, in denen Silber abgebaut wurde – und immer noch wird. Vor der Ankunft der Spanier wsren die Silbervorkommen bereits bekannt, aber von den ansässigen Incas und ihrem 11. König Huayna Cápac als heilig erklärt und nicht abgebaut. Der Name Potosí leitet sich vom Quetschua putuq ab, wa setwa Donner oder Dröhnen bedeutet, denn die Gegend ist reich an Vulkanen. Als die Spanier kamen, wurde aus Potocsi Potosí – und die spanische Krone reich. Abgebaut wurden die Silbervorkommen von zu Sklavenarbeit gezwungenen Indigenen. 60% des im 18. Jht. weltweit abgebauten Silbers stammten aus Potosí und bis heute sagt man, dass man  mit all dem Silber eine Brücke von Südamerika bis nach Spanien hätte bauen können. Mitte des 17. Jhts. Hatte die Stadt 160.000 Einwohner und war damit größer als Paris. Aufgeteilt war Potosí in drei Bereiche: Im reichen, strahlenden Zentrum mit seinen Palästen und der Münzprägeanstalt lebten die Spanier und deren Nachkommen, darumherum legte sich ein Gürtel für die Mestizen und in den Außenbereichen wohnen bis heute die Indigenen bzw. die Minenarbeiter. Als den spanischen Ausbeutern die Mineros immer mehr wegstarben, erlaubte der spanische König den „Import“ von 30.000 versklavten Afrikanern. Diese jedoch waren die große Höhe (fast 4000m über dem Meeresspiegel) nicht gewöhnt und die harten Bedingungen untertage, sodass die wenigen Überlebenden in die tropische Yungas-Zone gebracht wurde – zum Coca-Anbau.

Die katholische Kirche hatte zu Beginn die Coca-Blätternoch als verteufelt und als Hindernis für die Missionierung angesehen. – Musste dann aber  auf königliches Geheiß von dieser Haltung abrücken, da Coca unerlässlich war und ist, um die  fast unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den Minen zu ertragen.

P1220131

Ich habe in Potosí eine Tour bei einer Agentur gebucht, um die Minen zu besuchen. Diese Agentur ist die einzige, die ausschließlich den Mineros selbst gehört und von zwei Ex-Minenarbeitern gegründet wurde. Als erstes steht der Besuch auf dem Mercado de los Mineros an – inzwischen hat es sich eingebürgert, dass die Touristen den Mineros kleine Geschenke mitbringen: Getränke, Coca-Blätter oder Dynamit. Denn bei aller touristischer Neugier darf man eins nie vergessen: Die Minen von Potosí sind keine Touri-Attraktion, hier wird immer noch gearbeitet. Sprengungen, Tunneleinbrüche und Unglücksfälle inklusive

P1220110

.Als nächstes besuchen wir den Ingenio, wo das abgebaut Material verarbeitet wird. Wir laufen über ein staubiges Industriegelände und  steigen durch eine kleine Tür in eine riesige Halle. In einer gewaltigen Trommel, ähnlich einer Waschmaschine, wird das Gestein zermahlen. Dann werden Wasser und Chemikalien beigemischt, um das Silber und andere Mineralien wie Zinn abzutrennen. Wir bücken uns unter Rohren durch und laufen über wackelige Bretterbrücken. Arbeitsschutzmaßnahmen? Null. Nur Helme und Gummistiefel. Am Ende läuft eine schwärzliche Pampe über ein Rohrin ein Becken draußen – das Silber. Was mit den ganzen Chemikalien passiert und wohin das Wasser abgeleitet wird, frage ich lieber nicht. Stattdessen macht uns unser Guide auf die Überwachungskamera aufmerksam.

P1220126

Dann fahren wir mit dem Jeep endlich den Sumaj Orcko hinaus – wunderbarer Berg, so wird er auf Quetschua aus genannt. Die Behausungen werde immer ärmlicher, Bäume ud Grün gar nicht mehr, staubige Straßen und Pisten, die sich den Berg hinaufwinden, Lastwagen, die Gestein abtransportieren, alles wird immer rauher, steiniger und staubiger. Wir erreichen die Mine Candelaria. Unser Guide erklärt uns, wie man die Coca-Blätter richtig anwendet:  Man klemmt sich ein Blatt zwischen die Zähne, reißt die Blattrippe heraus, befeuchtet es mit Speichel und schiebt es in die Backe. Dann das nächste. Zwischendurch nagt man an einem Blöckchen gepresste Asche, die mit verschiedenen Geschmacksrichtungen versehen ist, um den bitteren Geschmack zu neutralisieren. Nach etwa 4 Stunden lässt die stimulierende Wirkung der Blätter nach, sodass die Arbeiter wissen, dass die Zeit für eine Pause gekommen ist. Heute arbeiten sie etwa 8 Stunden täglich, an 5-6 Tagen die Woche. Früher schufteten die Versklavten bis zu 48h am Stück in der Mine, ohne Essen und Trinken, was sie nur dank Coca überstanden. Viele verließen die Minen wochenlang nicht.

P1220160

Und dann betreten wir die Mine. Zuerst platschen wir durch Wasser, dann laufen wir immer auf den Gleisen der Wägelchen für den Abtransport der Steine. An manchen Stellen ist der Tunnel 2m hoch und bequem mit Ziegeln abgestützt, aber meistens ist er gerade so hoch, dass die Lore durchpasst also etwa 1,20m. Ich muss mich tief bücken und stoße mir hunderte Male den Kopf an. An manchen Stellen stützen Holzbalken den Tunnel und darüber türmt sich loses Gestein und Felsbrocken. Bricht der Balken, fällt alles hinunter. Und an mehreren Stellen sind die Balken halb gesplittert unter dem Gewicht des Gesteins. Wir müssen uns immer tiefer bücken, je tiefer es in die Mine hineingeht – und heißer wird es auch. Irgendwann ziehe ich meine Jacke und den Pulli aus und bin nur noch im Shirt unter der Schutzkleidung. Im Lichtkegel unserer Helmlampen ist die Luft gesättigt vom Staub, den wir einatmen – und den die Mineros zeitlebens täglich einatmen, bis ihre Lungen völlig zerfressen sind. Die meisten leben nur noch 15-20 Jahre wenn sie einmal angefangen haben, in der Mine zu arbeiten. Am schlimmsten sind die dran, die schon mt 10 oder 12 Jahren anfangen, die werden selten älter als 30. Bis heute. Und trotz Krankenversicherung.

P1220151

Wir erreichen endlich das Ende des Tunnels. Es ist etwa 30 Grad warm, aber in manchen Bereichen können die Temperaturen bis auf 45 Grad steigen. Unser Guide bedeutet uns, uns hinzusetzen. In einem Seitenarm der Mine schuften die Männer. Mit Schaufel und Schubkarre wird das Gestein aus dem Tunnel bis zur Lore gebracht. Dann lupfen sie zu dritt die Schubkarre hoch und kippen das Gestein in den Wagen und zurück ijn den Tunnel. Nachmittags finden die Sprengungen statt, morgens wird das Material aus der Mine gebracht und vorsortiert. Keiner der Mineros hat eineAusbildung gemacht oder ei en Sprengschein. Das Wissen um Silberqualitäten, Zündköpfe und Tunnelbau geht vom Vater auf die Söhne über. Die Mineros sind in Gewerkschaften organisiert und dann wiederum in Gruppen eingeteilt. Die Älteren sprengen und schaufeln, die Jüngeren schaffen das Material hinaus. Und legen den kilometerlangen Weg durch den niedrigen Tunnel zwanzigmal täglich zurück, mit Temperaturunterschieden von 0 bis 10 Grad draußen und 40 Grad tief in der Mine.  Auf dem Rückweg ist auf einmal der Tunnel versperrt. Einer der Schächte, die den oberen mit dem unteren Tunnel verbinden, hat sich geöffnet und das Gestein ist in den unteren Tunnel eingebrochen und versperrt uns den Rückweg. Wir müssen also warten, während die ein Minero schaufelt und schwitzt und der Staub in die Luft wölkt. Nach ein paar Minuten wird er vn einem Kollegen abgelöst. Bis der Tunnel wieder frei ist und die Lore voll. Eine Viertelstunde zuvor bin ich noch genau unter diesem Schacht hindurch gelaufen.

P1220148

Über  die Getränke und die Coca-Blätter freuen sich die Männer sehr, sind aber insgesamt eher wortkarg. An den Tunnelwänden hängen Pin-up-Poster und Plakate, wo halbnackte Frauen Werbung fürHacken oder Zementmischmaschinen machen.  Die Jungs, die die volle Lore rausbringen, hängen sich hinten an den Karren dran und lassen sich fahren. Sie sind 13 und 16 und helfen ihrem Vater an den schulfreien Tagen. Ansonsten lernen sie. Glück gehabt. Wir laufen zurück Richtung Ausgang, als wir es hinter uns rumpeln hören. Der Karren, der Karren, ruft unser Guide, schnell, vorwärts! Und wir hetzen tief gebückt weiter, stolpernd, bis der Tunnel breiter wird. Ist die Lore einmal voll mit einer Tonne Gestein und in Schwung, kann man sie nicht mehr bremsen. Warnsysteme gibt es in der Mine nicht, außer dem Gehör. Vor uns jedoch blockiert ein leerer Karren die Gleise, der gerade zurück ins Innnere gebracht wird. Wir pressen uns an die Tunnelwände, während die beiden Jungs den Karren in Schwung versetzen, sich mit ihrem ganzen Gewicht an die leere Lore hängen und sie abwechselnd auf- und niederlupfen, bis sie ihn von den Gleisen runter haben. Dann kippen sie ihn seitlich zur Wand und stellen sich zu uns in eine kleine Bucht. Keine zehn Sekunden später saust ein tonnenschwer beladener Karren an uns vorbei Richtung Minenausgang. Als er vorbei ist, laufen wir ihm hinterher. Hinter uns wuchten die Jungs den leeren karren zurück auf die Gleise. Dann legt sich der vordere ein Zugseil um die Schultern und der hintere lehnt sich gegen den Karren und in schnellem Tempo schieben sie die Lore zurück ins Innere der Mine. Unter ihren Helmen rinnt der Schweiß hervor. Sie sehen nicht älter aus als 12.

P1220159

Kurz vor dem Ausgang sitzt der Tio – der Gott der Mine. Während die Mineros außerhalb der Mine streng katholischesind, herrscht in der Mine die Andenreligion. Der Tío als Vater zeugt mit der Pachamama, der Mutter Erde, ihre Kinder – die Mineralien. Darum arbeiten auch keine Frauen in der Mine – die Pachamama wird eifersüchtig und mag es nicht, wenn andere Frauen ihre Kinder anfassen. Wir setzen uns im Halbkreis um den Tío – eine tönerne Teufelsstatue, behängt mit Luftschlangen, überhäuft mit Coca-Blättern und Alkoholflaschen und einem steil aufgerichtetem Penis. Unser Guide hält ein Ritual ab, um den Tio zu besänftigen, gute Funde zu, viele Frauen und Glück für unsere Reisen zu erbitten. Er raucht eine Zigarette an und steckt ie dem Tío in den Mund, dann streut Coca-Blätter und und reicht dann eine. Flasche Alkohol herum – 98% ig. Wir nehmen jeder einen Schluck, ich habe das Gefühl als würde meine Kehle zu Staub zerfallen. Dann rumpelt nochmal eine volle Lore vorbei und wir stolpern zurück ins Freie. Geschockt, geflasht und – zutiefst dankbar für unser gutes Leben.

 

Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen

La Ruta del Che

Che Guevara wurde in Bolivien getoetet; im Doerfchen La Higuera. Von Samaipata fahre ich mit verschiedenen Transportmitteln bis nach Vallegrande, wo ich zufaellig David aus Oesterreich kennenlerne. Auch er moechte nach La Higuera – aber ohne Tour, auf eigene Faust. Im Moment habe ich den Tour-Tourismus so satt, wo man alles praefabriziert aus einer Hand bekommt. Also entscheiden wir uns fuer die komplizierte Backpackrvariante: Mit dem Taxi zur Tankstelle an der Stadtausfahrt, von dort mit dem Bus nach Pucara – und von dort fehlen nur noch 15km bis La Higuera, abes es faehrt kein Bus. Wir werden uns also mit dem Daumen an die Strasse stellen muessen, ein teures privates Taxi bezahlen oder schlimmstenfalls laufen. Mit 15kg Rucksackgewicht…

Aber manchmal ist das Glueck den Wagemutigen hold. Wir sind kaum an der Tankstelle angekommen, als ein Mann zum Tanken aussteigt und uns anspricht: „Nach La Higuera? Wenn ihr wollt, nehme ich euch mit. 80 Bolivianos.“ Ich kann unser Glueck kaum fassen. Fuer ein Drittel des normalen Preises werden wir direkt an unseren Zielort befoerdert! Hinter Vallegrande hoert die Teerstrasse auf und es geht ueber Stock und Stein in die Berge. Immer hoeher und hoeher schraubt sich die Piste hinauf und die Aussicht wird immer beeindruckender. – Dabei bin ich noch nicht einmal in den richtigen Anden!

Ein Schockmoment: Auf einmal rennt einMaedchen ueber die Strasse, ohne zu schauen, und direkt in unser Auto hinein. Ich schreie auf, der Fahrer reisst das Lenkrad herum und macht eine Vollbremsung. Ganz knapp weichen wir dem Kind aus, um ein Haar haetten wir es ueberfahren. Man sieht so oft Kinder direkt an der Strasse spielen, raufen, rennen oder im Strassengraben sitzen. Auch Kuehe auf und neben der Strasse sind Alltag. Ich frage mich, wie viele Tote es jeden Tag hier im Strassenverkehr geben mag.

Die Piste wird immer schlechter und bis La Higuera werden wir gut zwei Stunden lang durchgeschuettelt und das Auto aechzt. Der Fahrer stopft sich Kokablaetter in die Backe, bis die richtig ausgebeutelt ist – an diesen Anblick muss ich mich noch gewoehnen. (Koka ist hier uebrigens legal und soll wie Koffein wirken. Mal sehen, ob ich das ausprobieren werde…)

Angekommen, suchen wir eine Unterkunft. Ausgerechnet die, die mir empfohlen wurde, hat geschlossen. Ins Hostel der Hippie-Franzosen wollen wir nicht, lieber bei Leuten vom Dorf uebernachten. Ein alter Mann, der die Strasse heraufkommt, bietet uns ein Zimmer bei sich an – fuer 15 Bolivianos, umgerechnet etwa 2 Euro. Wir folgen ihn zu seinem kleinen Haus. Das Zimmer ist etwas staubig, zwei Betten mit Strohmatratzen, Saecke in der Ecke, aber ein eigenes Bad. Wir sagen zu, lassen die Rucksaecke dort und besuchen die Schule des Dorfes – die ist Schule, Fussballplatz, Che-Guevara-Gedenkort und Arztpraxis gleichzeitig. Wir lernen einen kubanischen Arzt kennen; in farbverkleckerten Hosen. Die Kubaner sind nicht nur zur humanitaeren Hilfe hier, sondern auch um die Che-Wandbilder und Denkmaeler neu zu streichen, denn am Sonntag  kommt eine kubanische Delegation. Also sitzen drei bestausgebildete Aerzte und ein Ingenieur mit Farbtoepfen im Dorf und malen Steine weiss an oder arbeiten an bunten Che-Bildern und Spruchbaendern wie „Hasta siempre, comandante!“. Dann besuchen wir die Escuelita, die alte Schule, wo Che exekutiert wurde. EIn einziger Raum mit alten Holzpulten, noch mehr Wandbildern und – Fahnen, GRaffiti, Briefe, Postkarten, Ausweise, Fotos, Zettel, Sprueche… Mehr als alles andere beeindruckt mich, welche Emotionen und Leidenschaft die Figur des Che heute noch hervorruft. Die Besucher haben auf jedem freiem Fleckchen Wand ihre Bewunderung und Zuneigung kundgetan. Dazu natuerlich Fahnen aus allen moeglichen Laendern, irische Rebellenfahne, katalanische Unabhaengigkeitsfahne,… Fast fuenfzig Jahre nach seinem Tod ist Che immer noch eine Leitfigur, ein Symbol und fuer viele ein Vorbild.

Auf dem Weg zurueck zu unseren Gastgebern kaufen wir Abendessen im Dorflaedchen: Nudeln, Eier und eine Dose Sardinen in Tomatensosse. Zurueck im Haus erwartet uns eine Ueberraschung: Doña Guadalupe hat uns die Betten bezogen und selbstgewebte Teppiche daraufgelegt, das Bad geputzt und freut sich unendlich, uns als Gaeste zu haben. Ich frage mich wie alt sie wohl ist… Wenn man ihre Zaehne anschaut, muesste sie 80 sein, aber sie hat kaum graue Haare oder Falten. Wir fragen sie, ob wir kochen duerfen und sie fuehrt uns in ihre Aussenkueche. Dort erwartet uns ein Lehmofen und David und ich muessen feststellen, dass wir noch nie ein Kochfeuer entfacht geschweige denn darauf gekocht haben. Doña Guadalupe jedoch hockt sich hin, blaest in die restliche Glut, legt ein paar Zweiglein darauf und schon flackert ein Feuer. In einem verbeulten Topf kochen wir Nudeln und muessen erneut feststellen, wie lebensuntauglich wir sind: Ohne Dosenoeffner bekomen wir die Sardinenbuechse nicht auf. Das muss Don Ismael fuer uns mit einem Messer erledigen. In der Ecke liegen auf einer Plane die geernteten Maiskolben, daneben hockt eine Henne mit ihren Kueken. Von der Decke haengen ausgewaschene Daerme fuer Wuerste. Es wird dunkel und ich bin froh um meine neue Stirnleuchte. Waehrend das Nudelwasser Kocht, unterhalten wir uns und erfahren, dass die beiden sechs Kinder haben, die jedoch alle nicht mehr im Dorf wohnen. Doña Guadalupe kommt aus der Gegend von Sucre und spricht Qetschua – die paar Woerter, die sie mir beibringt, vergesse ich leider viel zu schnell wieder. Ich sehe zu, wie sie Kartoffeln schaelt und Paprika auf einem Mahlstein vermust. Aber um bei der Realitaet zu bleiben: Im Haus selbst gibt es noch eine zweite Kueche mit Kuehlschrank und Gasherd; im Wohnzimmer steht nebem dem traditionellen Webstuhl der Flachbildschirm-Fernseher und beide besitzen Handys.

Als unsere Nudeln fertig sind, koennen wir den Topf mangels Topflappen nicht vom Feuer heben. Das erledigt Doña Guadalupe fuer uns – mit blossen Fingern, die wohl komplett unempfindlich sind. Wir kippen die Sardinen ueber die Nudeln und essen im Licht der Stirnleuchte direkt aus dem Topf.

Und um acht liegen wir im Bett, wie sich das im Dorf so gehoert.

 

(Fotos kommen in den naechsten Tagen noch. Das bolivianische Internet ist seeehr langsam und das Hochladen dauert.)

Veröffentlicht unter Sin categoría | 1 Kommentar

Samaipata

Aktuell bin ich Samaipata, einem kleinen Dorf in der Naehe von Santa Cruz, im Osten Boliviens. Ganz in der Naehe gibt es das „Fuerte“ zu besichtigen – aber der Name truegt. Es handelt sich hier nicht um eine spanische Befestigungsanlage, sondern um einen misterioesen behauenen Felsen verschiedener prae-kolombianischer Kulturen.

Ich muss zuerst einen Transport zum 10km entfernten El Fuerte finden. Ein Taxi ist fuereine Person allein recht teuer und so entscheide ich mich fuer ein Motorradtaxi. In Brasilien habe ich sie gemieden, denn sie fahren wie der Teufel. In Bolivien auf dem Land dagegen geniesse ich die Fahrt. Auch wenn die Maschine angestrengt tuckert, als wir mehrere Steigungen ueberwinden muessen. Die Aussicht in die Vor-Anden ist fantastisch, eine gruene Bergkette reiht sich an die andere – herrlich! Ich war in Brasilien zuletzt so viel im flachen Land unterwegs und hier heissen mich die Berge willkommen. (Auf die kuehlen Temperaturen koennte ich allerdings verzichten.)

El Fuerte befindet sich auf einer Bergspitze und ich wandere an Wiesen und niedrien Baeumen vorbei. Dann steige ich mehrere Treppen zu einem hoelzernen Aussichtspunkt hinauf. Und dort offenbart sich mir der riesige, langgestreckte Felsen, um den sich so viele Theorien ranken. Die Chanes, eine Volksgruppe aus dem suedlichen Bolivien, hat auf 250m Laenge Darstellungen eines Pumas und eines Jaguars, aber auch einer Schlange in den Felsen gehauen. Dazu, auf dem hoechsten Punkt, eine runde Vertiefung mit Sitznischen, der wohl die Sonne darstellen soll. Sowie unzaehlige weitere geometrische Figuren, die nicht gedeutet werden koennen, und ein System von Treppen und Sitzbaenken, aehnlich einem Fussballstadion, die einem grossen Platz zugewandt sind. Leider sind viele Figuren nicht gut sichtbar, weil die Aussichtstuerme zu niedrig sind. Und auf dem Felsen herumlaufen darf man heute (zum Glueck bzw. leider) nicht mehr.

Resultado de imagen para el fuerte samaipata

(Sitzbaenke und Grabnischen sowie Reste des spanischen Hauses)

Ueber ein System hoelzerner Stege laeuft man an dem Felsen vorbei. Die Chanes gehoeren zur Mojocaya-Kultur, die bereits ab 300 v.Chr. hier in der Region ansaessig war. Fuer sie stellte der behauene Felsen wohl ein religioeses Zentrum dar. Gegen Mitte des 15. Jahrhunderts, also wohl kurz vor Ankunft der Spanier in der Region, integrierten die Inca die Region um Samaipata in ihr Imperium. Von den Inca sind zahlreiche mannshohe Nischen in den Felswaenden erhalten, die wohl Mumien beinhalteten und religioese Gegenstaende. Ausserdem eine Mauer zur Sternbeobachtung sowie zahlreiche Behausungen. Von diesen sind vor Allem Mauerreste uebrig sowie Keramiken und Waffen. bei dem Rundgang ueber das riesige Gelaende laeuft man ueber den  zentralen Platz der Anlage fuer Versammlungen, Prozessionen und Militaeruebungen. An zwei Seiten um den Platz stehen langgestreckte Gebauede, auf Quetschua Kallanka genannt, die Soldaten, Waffen und Vorraete beherbergten.

Resultado de imagen para el fuerte samaipata (Der „Schlangenruecken“)

Imagen relacionada

(Unten links im Steinkreis die Darstellung eines Pumas)

Vom Platz aus wandert man durch ein Waeldchen ein Steuck den Berg hinunter um zum Chicana zu gelangen. Was uebersetzt so viel wie „Labyrinth“ heisst, ist jedoch nichts weiter als ein tiefes Loch, inzwischen mit Wasser gefuellt, dass sich spiralfoermig in den Berg hineinschraubt. Wozu die Inca die Chicana bohrten, ist bis heute unklar – entweder als Brunnen, als Fluchttunnel oder als Folterort. Erforscht ist die Chicana nur bis zu einer Tiefe von 16m, reicht aber noch wesentlich tiefer.

Die Spanier verwendeten die Anlage dann als Befestigung und hinterliessen Reste eine Hauses im spanischen Stil  – gebaut mit Steinen der Inca-Haeuser. Sowohl Inca als auch Spanier litten immer wieder unter Angriffen der kaempferischen Guarani aus dem Sueden (heutiges Paraguay).

Samaipata ist also in vielfacher Hinsicht interessant: Einerseits, weil hier mehrere Kulturen aufeinanderstiessen (die Chanes, die Inca und die Spanier). Andererseits aber auch geografisch, weil hier die Trockenebene im Sueden Boliviens (Gran Chaco) auf die Anden stoesst und im Norden das Amazonas-Gebiet Einfluss nimmt.

Ich geniesse den Besuch beim Fuerte nicht zuletzt, weil ich komplett allein dort oben bin. Ausser mir sind keine Besucher da und ich habe alle Zeit der Welt, den Felsen zu bestaunen und mir vorzustellen, wie er wohl zur Chanes- und Inca-Zeit aussah. Denn tatsaechlich hatten die Inca  nur waerend ca. 50 Jahren, bis zur Ankunft der Spanier, die Macht in der Andenregion. – Sind aber wegen der Ueberlieferungen der Spanier das Volk, ueber das wir am meisten wissen.

Und so geniesse ich die Sicht in die Berge und den kraeftig blasenden Wind, bevor ich mich zu Fuss auf den Rueckweg ins Dorf Samaipata mache.

Uebrigens: Samaipata heisst uebersetzt soviel wie „Ruheort in grosser Hoehe“.

Und es existiert natuerlich auch die Theorie, dass der Felsen ein riesiges versteinertes UFO ist…

 

 

Bildquellen:
http://misteriosconxana.blogspot.com/2013/04/el-fuerte-de-samaipata.html
http://www.boliviaviajes.org/2014/08/fuerte-de-samaipata-evidencia-de-la.html
Veröffentlicht unter Sin categoría | Kommentar hinterlassen